Reverse Engineering: Wie kann ich meine Geschäftsgeheimnisse schützen?

Unternehmensrecht

Am 26.April 2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (sog. GeschGehG) in Kraft getreten. Das Geschäftsgeheimnisgesetz bezweckt den Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor der unerlaubten Erlangung, Nutzung und Offenlegung, § 1 Abs.  1 GeschGehG.

Mit dem Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes sind auch weitreichende Änderungen in Bezug auf das sog. Reverse Engineering in Kraft getreten.

Was versteht man unter Reverse Engineering?

Reverse Engineering bezeichnet den Vorgang, aus einem bestehenden fertigen System oder einem meistens industriell gefertigten Produkt durch Untersuchung der Strukturen, Zustände und Verhaltensweisen die Konstruktionselemente zu extrahieren. Reverse Engineering steht somit gleichbedeutend für umgekehrt entwickeln, rekonstruieren oder nachkonstruieren. Das fertige Produkt wird so weit rekonstruiert, bis ein verwendbarer Plan erstellt ist.

Im Bereich Software dient das Reverse Engineering insbesondere der Rückgewinnung des Quellcodes oder einer vergleichbaren Beschreibung aus Maschinencode, z. B. von einem ausführbaren Programm oder einer Programmbibliothek, etwa mit einem Disassembler (kann Teil eines Debuggers sein) oder einem Decompiler.

Im Bereich der Technik und Elektronik dient das Reverse Engineering insbesondere dem Zweck des Nachbaus von technischen Objekten, um Entwicklungskosten und -risiken zu verringern sowie fehlendes eigenes Know-how zu kompensieren.

Was regelt das Geschäftsgeheimnisgesetz in Bezug auf Reverse Engineering?

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) bzw. lit. b) GeschGehG ist die Erlangung eines Geschäftsgeheimnisses durch ein Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen des Produktes oder Gegenstandes, das oder der öffentlich verfügbar gemacht wurde oder sich im rechtmäßigen Besitz des Beobachtenden, Untersuchenden, Rückbauenden oder Testenden befindet und dieser keiner Pflicht zur Beschränkung der Erlangung des Geschäftsgeheimnisses unterliegt zulässig.

Somit dürfen Produkte und Gegenstände zurückgebaut werden, die am Markt öffentlich frei verfügbar sind oder ohne entsprechenden vertraglichen Ausschluss rechtmäßig erlangt wurden.

Bis zum Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes war das sog. Reverse Engineering als Verletzung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG zu verstehen, sofern es mit erheblichen Analyseaufwand verbinden war.

Mit dem Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetz wurde das Reverse Engineering als grundsätzlich zulässige Handlung eingestuft, solange man sich an die Voraussetzungen des
§ 3 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) und b) GeschGehG hält.

Somit soll künftig das Reverse Engineering eines rechtmäßig erworbenen Produktes zulässig sein, um die dem Produkt innewohnenden Informationen zu erwerben.

Wie kann ich mein Produkt oder Gegenstand vor Reverse Engineering schützen?

Unternehmen, die ihre Produkte oder Gegenstände vor der Zurückentwicklung schützen möchten, sollten zwingend von der Möglichkeit des vertraglichen Ausschlusses der Zulässigkeit des Reverse Engineering Gebrauch machen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) GeschGehG besteht die Möglichkeit die Zulässigkeit des Reverse Engineerings auszuschließen jedoch lediglich dann, wenn das Produkt einem Geschäftspartner zur Verfügung gestellt wurde, ohne dass es öffentlich verfügbar gemacht wurde, und dieser Geschäftspartner einem vertraglichen Verbot bzw. einer Nutzungsbeschränkung unterliegt.

Es muss also zunächst zwischen öffentlich verfügbaren und nicht öffentlich verfügbaren Produkten unterschieden werden.

Somit sind also Produkte und Gegenstände, die dem öffentlichen Markt frei zugänglich gemacht wurden, ungeschützt und können im Rahmen des Reverse Engineering zurückentwickelt werden.


Möchte man dies vermeiden, so empfiehlt sich einen Schutz durch eine individualvertragliche Klausel sicherzustellen.

Im Rahmen einer individualvertraglichen Klausel sollte somit klar geregelt werden, dass das sog. Reverse Engineering des an die Gegenseite verkauften Produktes oder Gegenstandes ausdrücklich nicht zulässig ist. Wir empfehlen daher eine entsprechende Regelung in Ihre Geheimhaltungsvereinbarungen (NDA) oder Entwicklungsverträge aufzunehmen.
Eine allgemein gültige Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingegen reicht nicht aus.

Fazit:

Mit dem Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes wurde das sog. Reverse Engineering von erworbenen oder öffentlich auf dem Markt befindlichen Produkten zulässig.

Jedoch bietet das Gesetz die Möglichkeit die Zulässigkeit des Reverse Engineering durch einen vertraglichen Ausschluss zu regeln.

Hierzu bedarf es einer individualvertraglichen Regelung.

Gerne beraten wir Sie bei der Erstellung einer solchen Klausel zum Ausschluss der Zulässigkeit des Reverse Engineerings oder überprüfen bestehende Klauseln auf umfassenden Schutz und Wirksamkeit.

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