Darf mein Arbeitgeber mir aufgrund privater WhatsApp Nachrichten im Gruppenchat fristlos kündigen?
Eine wütende Nachricht, ein schnippischer Kommentar oder auch eine frustrierte Bemerkung ist schnell in den Gruppen Chat mit den Lieblingskollegen versendet. Problematisch wird dies, wenn Ziel der Nachrichten der eigene Arbeitgeber ist. Schnell ist dann eine außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen. Aber ist es nicht Privatsache, was in den eigenen vier Chatwänden passiert?
Die fristlose außerordentliche Kündigung, bedarf als besonders scharfes Schwert des Kündigungsrechts einer besonderen Begründung. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB setzt voraus, dass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien nicht mehr zumutbar ist. Dabei sind die individuellen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die persönliche und grobe Beleidung ist dabei grundsätzlich dazu geeignet, die Fortsetzung des Vertragsverhältnis erheblich zu erschweren und die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als unzumutbar einstufen lässt. In Fällen solcher Beleidigungen handelt sich nach Rechtsauffassung des BAG dabei um eine erhebliche Pflichtverletzung. (vgl. BAG 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19 – Rn. 77) (2 AZR 240/19 – Das Bundesarbeitsgericht)
Die im persönlichen Bereich verfassten Nachrichten sind bei einem Bezug zum Arbeitsverhältnis, bspw. wenn Vorgesetzte oder Kollegen besprochen werden, durch ihren besonderen Bezug zum Arbeitsverhältnis auch verwendbar. Das BAG hat am 24.08.2023 (BAG Urteil vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23) 2 AZR 17/23 – Das Bundesarbeitsgericht nun in einer wegweisenden Entscheidung geurteilt, dass es sich bei einer WhatsApp Gruppe unter Umständen nicht um einen vertraulichen Kommunikationsraum handelt und diese daher entgegen vorheriger verfassungsrechtlicher Bedenken einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 I BGB darstellen kann. Eine vertrauliche Kommunikation hat das BVerfG bei Beleidigungen über nicht anwesende Dritte nur in besonders engen Lebenskreisen angenommen, wenn die Äußerung Ausdruck des besonderen Vertrauens ist und keine begründete Möglichkeit der Weitergabe besteht. (vgl. BVerfG 17. März 2021 – 2 BvR 194/20 – Rn. 33) ( BVerfG, Beschluss vom 17.03.2021 – 2 BvR 194/20 – openJur)
In WhatsApp Gruppen darf der Arbeitnehmer allerdings nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Ein vertrauliches Gespräch unter Arbeitskollegen rechtfertigt trotz möglicher Beleidigungen nicht einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung. Denn der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen. Er muss nicht damit rechnen, durch sie werde der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet (vgl. BAG 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08 – Rn. 18) BAG – 2 AZR 534/08 | bag-urteil.com
Anders verhält es sich bei größeren WhatsApp Gruppen. Denn hier greift keine begründete besondere Vertraulichkeitserwartung:
Der BGH führte zu größeren Arbeitnehmeransammlungen bereits 2009 aus:
„So können insbesondere bei Zusammenkünften einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern Zweifel angebracht sein, dass die Gesprächsteilnehmer Äußerungen über den Arbeitgeber oder vorgesetzte Mitarbeiter für sich behalten werden.“ (vgl. BAG 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08 – Rn. 23) BAG – 2 AZR 534/08 | bag-urteil.com
Ob man auf die Vertraulichkeit vertrauen darf und somit in den Schutz der verfassungsrechtlichen Einschränkung der Verwendungsmöglichkeiten kommt, ergibt sich auch maßgeblich nach dem Inhalt der im Raum stehenden Äußerungen:
„Die Vertraulichkeitserwartung ist zudem abhängig von den jeweiligen Gesprächsinhalten. Enthalten diese Äußerungen, durch die der Betriebsfrieden in besonderem Maße gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber erheblich belastet würde, muss die berechtigte Erwartung des Erklärenden dahingehen, dass seine Gesprächspartner die in seinen Äußerungen liegenden Wertungen teilten bzw. billigten oder er es jedenfalls aufgrund besonderer Umstände für ausgeschlossen hält, dass diese die Gesprächsinhalte an Außenstehende weitergeben.“ (BAG-Urteil vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23)
Daran ändert laut dem BAG auch die „Ende-zu-Ende“ Verschlüsselung oder der Umstand, dass man mit den Kollegen ein langjähriges Freundschaftsverhältnis führt nichts. Freundschaft bedeutet laut BAG nicht gleich Vertraulichkeit. Denn auch diese Arbeitskollegen können aus Entrüstung, moralischen Bedenken oder auch aus Prahlerei und Imponiergehabe, die verfassten Nachrichten einem Dritten offenbaren. (vgl. BAG 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08 – Rn. 26) BAG – 2 AZR 534/08 | bag-urteil.com
Eine WhatsApp Gruppe die über mehr als zwei Mitglieder verfügt, kann daher unter Umständen rechtlich gesehen kein vertraulicher Ort sein und die darin enthaltenen beleidigenden Äußerungen Gegenstand einer fristlosen Kündigung.
Ob eine Äußerung tatsächlich einen wichtigen Grund darstellt, ist hingegen immer Einzelfall abhängig und sollte individuell überprüft werden.